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Freie Künstlergruppe Görlitz

LEBEND!

Die kreative Szene in Görlitz lässt die Idee der Gruppe „Die Lebenden“ aus der Zeit des Postexpressionismus wieder aufleben.

Neugierig stehen Touristen am sogenannten Görlitzer Bone-Haus. Sparsames aber warmes Licht lässt die historischen Mauern geheimnisvoll erscheinen. Die Besonderheit dieses Ortes ist evident.

Der Künstler Steeven Fabian Bonig alias Bone hat sich seit Jahren in dem denkmalgeschützten Haus am Obermarkt eingerichtet. Am Samstag (18.1.2014) öffnete der gastfreundliche Dichter das Haus für die Freie Künstlergruppe Görlitz und deren Gäste. Anlass war die Vorstellung des Projektes LEBEND!.

Danielle Höfler Foto: Ramona Faltin

Initiatorin und Lichtgestalt des Projektes ist Danielle Höfler. Mit dem Titel LEBEND! verweist sie auf eine künstlerische Tradition in Görlitz, die nicht nur wegen diktatorischer Verwerfungen und Kriegs-Wirren im Bewusstsein verschüttet wurde. Danielle Höfler recherchierte nach den künstlerischen Wurzeln dieser Stadt und stieß auf das Erbe von Ludwig Kunz, der 1923 in Görlitz literarische Flugblätter unter dem Titel Die Lebenden veröffentlichte. Der Mitbegründer des gleichnamigen Dichterkreises war in der Lage, die Blätter zu finanzieren, die Autoren der Beiträge zu honorieren und den Vertrieb über Verlage zu organisieren. Die ex­pressio­nistische Dichterin Else-Lasker-Schüler war Gast dieses auch öffent­lich auf­tre­tenden Dichter­kreises und verewigte sich im Gäste­buch mit den Worten: „Meine Stadt grüßt Ludwig Kunz in dem schönen Görlitz. Jussuf Prinz von Theben.“

Die Lebenden. Flugblätter Nr 1/2 des Herausgebers Ludwig Kunz. Quelle: http://www.poetenladen.de/antonin-dick-ludwig-kunz-die-lebenden.htp

Ludwig Kunz fühlte sich berufen, dem Lite­rarisch-Neuen zum Durch­bruch zu ver­helfen. Er wusste, worauf er sich einließ - auch auf Nieder­lagen. Es kann nicht sein, verkündete er trotzig, „jeden wirklichen Dichter erst dann zu be­achten, wenn er einige hundert Jahre tot ist … Wir kämpfen nicht für heute und nicht für gestern, sondern für die Un­beachteten, Ver­nach­lässig­ten, Ent­rech­teten und Unge­druckten.“

Im MoMa (Museum of Modern Art in New York) sind seine Flugblätter heute Bestandteil des "German Expressionism". In Görlitz ist Ludwig Kunz kaum bekannt, geschweige denn gewürdigt. 

Die Freie Künstlergruppe Görlitz um Danielle Höfler ist auf der Suche nach dem, was verloren gegangen ist -  mit dem Wunsch, es wieder in das Bewusstsein derer zu rücken, die diese Stadt heute bevölkern. Sie möchte eine ergänzte Sicht auf die Geschichte der Künstler dieser Stadt. Unterstützt wird sie dabei von Dr. Wolfgang Wessig, der in Zusammenarbeit mit der Universität Lüttig eine Ludwig-Kunz-Retrospektive im jüdischen Museum Lüttig vorbereitet. 

Das Projekt LEBEND! spannt aber auch einen Bogen zu denjenigen, die heute als Schaffende in Görlitz leben, arbeiten, denken und fühlen - zu Menschen, die ihre Spuren in der Kunstgeschichte der Stadt hinterlassen werden, im Kleinen wie im Großen.

Anja Räubertochter (Foto: Ramona Faltin)

Der Abend im Bone-Haus bot dafür eine gute Gelegenheit, das perfekte Ambiente. Es lasen Danielle Höfler, Axel Krüger, Mike Altmann, Anja Räubertochter, Bone und Mario Kelling - musikalisch umrahmt vom Cellisten Leon Szostakowksi. Von falschem Frieden und Fortschritt in slow motion war die Rede und davon, dass wir nur das Offensichtliche sehen, nicht das Wirkliche.  

Steeven Fabian Bonig, Leon Szostakowski, Mario Kelling, Danielle Höfler, Axel Krüger, Anja Räubertochter, Mike Altmann (v.l.n.r.) Foto: Ramona Faltin

Bone versprach eine Fortsetzung der Lesung am Obermarkt im Sommer. Das Projekt LEBEND! wird bereits am Samstag, den 25.1.2014 in der Landskronstraße 32 ab 18 Uhr mit einer Ausstellung fortgesetzt. Ein Kurzfilm zeigt Einblicke in die kreative Görlitzer Szene. Der Interessierte darf gespannt sein. 

1  Die Lebenden. Flugblätter. Herausgegeben von Ludwig Kunz. Quelle: Antonín Dick: Zwei Hälften meines Lebens. http://www.poetenladen.de/antonin-dick-ludwig-kunz-die-lebenden.html

Ramona Faltin (mit freundlicher Genehmigung von Danielle Höfler) (19.01.2014)

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